Desertfest Berlin 2013 – Day 2de en

Die Tatsache, dass Witchraft abgesagt haben, hatte sich spätestens am zweiten Tag überall herum gesprochen. Erstaunlich dabei, dass sich darüber kaum einer groß zu ärgern schien. Es gilt ja schließlich auch noch einen Haufen anderer großartiger Bands zu bestaunen.

Vorallem am Tag zwei. Dem Tag der Wiederauferstandenen. Unida – Wüstenlegenden – nach langer Bühnenabstinenz wieder zurück, Dozer für viele ein feuchter Traum, endlich wieder da und Lowrider, nach unglaublichen zehn Jahren, für ein paar Tage wieder zusammen gekommen. Vor allem letztere konnten mich live umhauen. Ein klassisches Stoner-Brett, aber extrem heavy umgesetzt. Man munkelt, der Auftritt soll den Schweden so viel Spaß gemacht haben, dass Lowrider in Zukunft vielleicht doch nochmal auf der Bühne zu sehen sein werden. Abwarten.

Hier erstmal der zweite tolle Teil des Reviews unseres Redakteur-Team!

– Tim –

Venue

Aussteigen an der Warschauer Straße, Treppe runter, rein ins Astra – und “fett”. Der Bereich um den Eingang und die Foyerstage war mit weißen Planen behangen. Den Namen des verantwortlichen Künstlers hab ich vergessen, aber das ganze gab gerade dem vorderen Bereich das gewisse Extra. Auch an der frischen Luft gabs verglichen mit dem letzten Jahr ein paar Veränderungen. So waren die Buden zur Nahrungsaufnahme besser verteilt, so dass man direkt am Eingang genug Sitzmöglichkeiten hatte und sich der Großteil der Meute bei Pausen nicht im Außenbereich neben der Foyerstage tummeln musste. Die Bierpreise waren für eingefleischte Festivalbesucher, die ausschließlich auf dem Gelände kippen, normal.

Soweit so gut. Suboptimal ist der Zugang zur Mainstage. Will man die nach einem Auftritt verlassen, muss man sich immer den Weg durch die feiernde Meute vor der Foyerstage bannen. Nervt auf Dauer! Aber lässt sich auf Grund der Gegebenheiten wohl nicht abändern:

Quelle: SOL/denny

Insgesamt ein solider Veranstaltungsort. Gefühlt war das Ding  an allen drei Tagen ausreichend. Die Massen hätte man auf keinen Fall im für Konzerte besser geeigneten Festsaal Kreuzberg unterbekommen, wo im letzten Jahr der Desertfest-Donnerstag stattgefundenen hat.

– Nik –

Freitag – 26. April 2013

LECHEROUS GAZE

Der Kater ist noch schlimmer wie am Vortag. Und mit Lecherous Gaze kommt jener Rock’n’Roll zum Vorschein, der sich mindestens genauso schmutzig herumwälzt wie der brandige Filz im Mund. Witch-Gitarrist Graham Clise – ein Virtuose seiner Zeit – und seine kalifornischen Mitlüstler graben mit ihrem witzig/makaberen Mix aus Punk n Roll, Hard Rock und Hardcore ein Zeitkontinuum in die frühen 80er und schlagen zeitgleich Haken zurück in die 70er und 60er Jahre, als Rockmusik noch unverbraucht, wild und ungestüm war. Mit ihrem von ADHS geküssten Sänger Zaryan Zaidi rockt und rollt sich die Band im Stile von Black Flag und Ramones über die Foyer-Bühne. Da kommt am Schluss Chuck Berry’s Johnny Be Good aber auch nicht ungelegen.

– Ruth –

WITCH MOUNTAIN

Mein persönliches Highlight. Das Quartett aus Portland/Oregon trifft zunächst auf eine eher spärlich frequentierte Main Hall, bevor ihr schwerer Doom Metal-Regen losbricht und von Uta Potkins großartiger Stimme niedergewälzt wird. Wie eine Amazone, pendelnd zwischen Kopf- und Bauchstimme, erzählt sie im Opener von Lanky Rae – dem von Dämonen-besessenen Mädchen aus der Unterwelt. Potkin, die mit ihrer Gestik selbst leicht einer Hexenanbeterin ähnelt, scheint über eine hypnotisierende Anziehung zu verfügen – wohlverdient füllt sich die Halle endlich. Mal growlend, soulig-anmutig oder einfach nur stimmgewaltig liebkost sie den schleppenden Doom ihrer drei Kollegen, die Bühne ist passend in einfache rot-schwarz-Töne getaucht. “I hope that I can find shelter before fever ferries me to the far shore” ,singt sie in Shelter. Den dürften Band und Publikum hier nun gefunden haben…

– Ruth –

ODDJOBMEN

Blythe kam mir vor dem Desertfest zu Ohren. “Klingt geil…”, dachte ich mir und hatte das Quartett daher auf dem Plan. Oddjobmen machen weniger den “klassischen Stonerrock”, sondern viel mehr einen durch rotorische Basslinien und Präzisionsarbeit am Schlagwerk getragen Groove’n’Roll. Dazu kommen Vocals, die eine kleine Prise Josh Homme um die Foyerstage verteilen. Nach der Livevorstellung darf man wahnsinnig gespannt sein auf ihre erste EP: Hook, Line & Sinker

– Nik –

BLUES PILLS

Bestehend aus zwei ehemaligen Mitgliedern von Radio Moscow, einem jungen französischen Gitarrist und der schwedischen Sängerin Elin Larsson entern die Blues Pills am frühen Abend des zweiten Festivaltages die Bühne und verzaubern alle Anwesenden. Ihr Stil gleicht durchaus dem der oben genannten Bluesrocker, allerdings verleiht die zauberhafte Sängerin der Truppe an der Stelle Soul, wo bei Radio Moscow die groovigen Tempowechsel und die fuzzigen Soli stehen. Soli gibt es bei den Blues Pills auch – und was für welche, aber alles der Reihe nach. Ich weiß garnicht wo ich anfangen soll, deshalb nutzte ich ein Zitat einer meiner Freunde, der sich nach den ersten Songs zu mir umdrehte und mich anstrahlte: “Das ist die beste Band, die ich jemals live gesehen habe!” “Die Beste?”, fragte ich ungläubig. “Sie gehören zu den Top 5!” , grinste er und rannte durch die Menge vor zur Bühne. Ich werde mir weitere detaillierte Ausführungen sparen und rate zum Kauf, der EP und des hoffentlich bald folgenden Albums, sowie zum Besuch eines Konzertes der Band. Nur so viel: Energetisch, mitreißend und Retrocharme sind geeignete Beschreibungen. Und Dorian Sorriaux ist ein echter Teufelskerl an der Gitarre.
Es war großartig!

– Fred –

Kommentar Nik: Die Blues Pills füllten den Freitag im wahrsten Sinne des Wortes mit Blues. Die Mischung aus ruhigen, leisen Tönen und der unglaublich dominant und gleichzeitig weich klingende Stimme machten den Auftritt nach den ersten beiden Liedern zu etwas ganz besonderem. Devil Man ist da nur ein Beispiel:

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HOUSE OF BROKEN PROMISES

Nun aber wird das nächste Stoner-Schwein ausgepackt. Gitarrist Arthur Seay wird später auch noch mit Unida ein großes Comeback zelebrieren, jetzt wird hier mal am kleinen Örtchen gefeiert und gewütet. Viel hab ich im Grunde nicht zu sagen, außer, dass dieser Sound mächtig Spaß macht. Denn er ist ungeniert simpel, hart, der Bass ist verboten tief eingestellt und die Vocals sind eingängig und für Stoner Metal genau das richtige: röhrend, kratzig und vor allem eine Hommage an John Garcia himself. Über Small Stone Records gibt’s seit 2010 ihr Debüt Using the Useless – dig it!

– Ruth –

LOWRIDER

Ein ganz besonderes Erlebnis erwartete uns bei Lowrider. Die Schweden, die einst mit dem “Most Convincing Kyuss Clones Award” ausgezeichnet wurden, rauften sich für die beiden Desertfestshows in Berlin und London nochmal zusammen, nur um danach sofort wieder aufzuhören. Etwas seltsam, aber auf jeden Fall lohnenswert dem Spektakel beizuwohnen. Zugegeben, ab und an erinnert ihr fuzziger Stonersound an die Urväter aus der Wüste, aber was solls solangs reinhaut…und das tuts gewaltig. Fette Riffwände umschmeicheln die Ohren während der wabernde Bass und die saftigen Drums den Groove dazu liefern. Die Songs aus ihrem einzigen Album Ode To Lo und der Split mit Nebula sind ja ziemlich bekannt und werden dementsprechend gefeiert. Es war auf jeden Fall ein tolles Gefühl ein Teil dieser kurzen Legenden-Auferstehung zu sein. Ich verweise jetzt mal nicht auf ein kommendes Album.

– Kev –

NAAM

Die Jungs von Naam stellen ein mächtiges und massives Heavy Psych Gebilde nach dem Anderen in den Raum, formen und bearbeiten es, bis es über dem Zuschauer zusammenfällt und eine extatische Welle aus Riffs und Orgelsounds über uns hereinbricht. In Tracks die bisweilen die Viertelstundenmarke spielend überschreiten bauen sie langsam, repetitiv, mit Kollagen aus kratzendem, brummelndem Sound ein Stonerriff auf und lassen den Gesang darüber schweben. Mal, durch Hall, kilometerweit entfernt, dann wieder direkt vor einem, materialisieren sich die Songs, vermischen sich mit der Realtität und nehmen uns mit auf eine Reise durch den eigenen Geist. Naam haben ihren Sound durch einige Eigenheiten erweitert und heben sich somit von anderen Vertretern des Genres ab. Leider wurde auf das Nirvana Cover verzichtet, was größtenteils an der GEMA lag, was man so hört.

– Fred –

Kommentar Kev: Die Jungs aus New York sind in Europa ziemlich präsent. Und das zurecht, denn ihre moderne Version des guten alten Space-Rock kommt gut an. Zwischen psychedelischen, melodischen und gut nach vorn gehenden Momenten bleibt die Eingängikeit der Songs nie auf der Strecke. Naam werden mit Sicherheit noch ihren Weg gehen.

DOZER

Dozer sind wieder da! Wenn auch wahrscheinlich nur zum Desertfest, ähnlich wie Lowrider, aber immerhin. Gitarrist Tommi hat mir schon am Vorabend gesteckt, dass er sich auf den Gig freut wie nen Schnitzel, das war ihm auch später auf der Bühne anzumerken. Die Band an sich war sehr aktiv auf der Bühne und zelebrierte ihre alten Songs mit viel Spielfreude. Doch über den ganzen Hits thronte an diesem Abend eine atemberaubende Version von Big Sky Theory… was für ein Brett!!! Einer der ganz großen Momente dieses Desertfests und ein unvergessliches Erlebnis!

– Kev –

Kommentar Fred: Trotz großer Spielfreude und einem soliden Set konnten sie mich irgendwie nicht ganz vom Hocker hauen. Schade eigentlich!

 

COUGH

Ich lasse hier mal meine Kamera beiseite und genieße, wie mein Sludge-Herz lacht. Selbstzerstörung und Affinität zur Misanthropie hatten immer schon etwas Reizvolles in der Musik, vor allem wenn man es sowohl in der Lyrik als auch in der Instrumentalisierung zu hören und fühlen bekommt. Cough aus Virginia vermitteln genau diese Emotion und bilden inmitten mancher vergleichsweise leichtfüßiger Bands einen verstörenden und elegischen Platzhalter.

– Ruth –

Kommentar Kev: Electric Wizard in Zeitlupe…ultratief, tonnenschwer und verdammt böse. Zieht jedem Hippie die Dauerwelle straff!

Kommentar Nik: Live ne ganz andere Hausnummer als auf Platte. Hat wahnsinnig gedrückt, obwohl ich Cough nicht eingeplant hatte!

UNIDA

Es ist mal wieder Zeit für Herrn Garcia. Nach stressigen Zeiten mit dem ganzen Kyuss Lives/Vista Chino Hick-Hack hat er Unida wieder aufleben lassen. Nachdem er sich ein paar Minuten hat ausfeiern lassen betritt er umjubelt die Bühne. Die alten Klassiker werden ausgepackt und kommen auch gut an, aber irgendwie wirken alle etwas lustlos und ausgepowert. Gitarrist Arthur Seay und Drummer Mike Cancino haben ja auch bei dem Gig mit House Of Broken Promises schon einiges an Energie gelassen. Trotzdem springt der Funke bei mir trotz soliden Darbietungen der Songs nicht ganz über. Aber man hat ja hoffentlich noch ein paar Chancen die Desertrocker bewundern zu dürfen.

– Kev –

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Zum Unida Interview mit Arthur.

BELZEBONG

Es ist knapp 2:00 früh und die Kräfte treiben davon. Es war ein langer und nicht unanstrengender Tag voller Eindrücke, Erlebnisse und Klänge. Das Foyer ist nach wie vor erdrückend voll, der draußen herrschende Regen hatte selbst die Dauerchiller Stunden zuvor in die warmen und trockenen Räume des Astras gejagt. Das Bühnenlicht ist auf ein unheimliches Grün getrimmt und die vier polnischen Reiter der Apokalypse – jene nennen sich ironischerweise Belzebong – stimmen ihre Instrumente bereits tiefer und legen sofort los. Endzeitstimmung, Boshaftigkeit und doch ein großer Schuss Groove bestimmen den Sound dieser menschlichen Bartlandschaft – rauchender Stoner Doom wie man ihn von Sleep oder stellenweise von Suma kennt. Teufel hin oder her – das Foyer verwandelt sich in eine menschliche Riesenbong, die dem treibenden Schwall von Bass- und Gitarrenklängen und puritanischem Schlagzeug hypnotisch folgt. Spätestens jetzt sollte jede Gehirnzelle in Matsch umgewandelt worden sein.

– Ruth –

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