Misty Mountain 2010
Misty Mountain
Ein Festival-Bericht unserer neuen Redakteurin, Lilli:
Das Misty Mountain in Igensdorf versprach ein kleines, sehr feines Festival zu werden. Mit hohen Erwartungen machten wir uns also zu zweit, am 20.8., auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, auf den Weg in die Fränkische Schweiz.
Herrliches Wetter und die Bahn zeigt sich auch von ihrer zuverlässigen Seiten, so erreichen wir unser Zielgebiet ordnungsgemäß. Dort angekommen haben wir allerdings einige Probleme, den Weg zum Veranstaltungsort zu finden. Wir machen einen unfruchtbaren Abstecher in ein Feld, belästigen ahnungslose Bäckereiverkäuferinnen und dienen der allgemeinen Belustigung der schilderverdrehenden Igensdorfer. Auf kleine Ernüchterungen waren wir gefasst und finden trotz oberbayrischer Inkompetenz nach weiterem, ausdauernden Gelatsche doch endlich den Weg zum besagten „nebligen Berg“.
Nun hätte die müde Lilli doch tatsächlich noch betreffenden hohen Berg
(eher ein hoher Hügel) zum Festival erklimmen müssen, wären da nicht
zwei Retter in einem schwarzen Kleinwagen erschienen, die mich und
meinen Freund, in ihrem Kofferraum, neben einer, wie sich später
herausstellt, Pissrinne sitzend, nach oben bringen. Danke noch einmal.
Der Veranstaltungsort stellt sich als gerodete und mit Obstbäumen neu
bepflanzte Bergkuppe dar. Umgeben von einem duftenden Nadelwald und
schattigen Obstbäumen ist dieses schöne Fleckerl Erde auch nur ganz
sporadisch von anderen Festivalbesuchern bevölkert, die fluchend ihre
Zelte aufbauen und sich dabei von den neugierigen Schlupfwespen ärgern
lassen.
Alle hier scheinen sich schon zu kennen und fast jeder hat einenVIP-Pass. Von diesem Klassentreffen lassen wir uns vorerst nicht beeindrucken und suchen uns ein hübsches Plätzchen unter einigenKirschbäumen um dort unser Zelt aufzuschalgen und zu warten.
Ca. 16:30 und das Festival beginnt mit Geonosis, deren Name, natürlich
ganz zufällig, an Star Wars denken lässt. Sie rocken das blau-weiß
gestreifte Bühnenzelt und man möchte sie gerne mit Karma to Burn
vergleichen: geniale Riffs, eindrucksvolle Drums, komplett ohne Gesang
und die Wertschätzung der Firma Engl überzeugen vollends.
Zwanzig Minuten später bringen uns die Nürnberger von Omega Soul zum
Headbangen. Ihre Musik kommt daher wie sehr doomige Spiritual Beggars,
deren Sänger sich auf Fränkisch über die Hitze aufregt. Wir sind vom
Stoned ja ganz andere Temperaturen gewohnt und beobachten in der
Umbaupause die anderen Festival Besucher, immer wider sieht man sie
Zusammenzucken, ihre Getränke verdecken oder nach leerer Luft schlagen
und man weiß: da hat wider jemand Angst vor den Wespen.
Es werden nun immer mehr. Besucher, nicht Wespen, es geht nämlich auf
sechs Uhr zu, Obelyskkh Time!
Heavy Psych und Doom, diese Mischung lässt uns gemütlich in der Wiese
liegen. Das und das überfüllte Zelt.
Die letzten Töne von Obelyskkh werden noch genossen und da treibt es
mich auch schon wider auf die Beine, Hunger aber vor allem die
Vorfreude auf mein persönliches Highlight des Abends: Stonebride sind in zwanzig
Minuten dran! Es wird sich eine Stärkung gegönnt, 1,50 für eine Portion leckerer
Pommes sind echt preiswert genauso die 2 Juronen für ein kühles Bier,
das macht Laune. “The burden of modern life has never been heavier and STONEBRIDE is here to share it with you!“ Ja, da sind sie auch schon, alter Vater! Die Kroaten habens drauf und der Name ist Programm. Stoner vom feinsten, mal trocken und hart, dann wider psychedelisch und verspielt. Genau wie Neil Fallon, mit dem ihn auch noch eine dezente Ähnlichkeit verbindet, greift der Sänger Krnfa selbst ab und an zur Gitarre. Die entstehenden langen Jam-Parts und absolut simultanen Taktwechsel haben einen ähnlichen Effekt wie Songs von Tool: der Hörer wird immer wieder aufs neue überrascht von den sich verändernden Rythmen und ist gezwungen sich an eine andere Entwicklung des Songs zu gewöhnen, der
am Anfang vielleicht mit einigen doomigen Gitarrenriffs begann, dann trockener und schwerer wird, mit verzerrtem Gesang geht es über zum – wer weiß? – Endpart, der, ähnlich wie händchenhaltenderweise mit Mary Jane über eine Mars Wüste zu hüpfen, mit den immer noch trocken, nach Blues, klingenden aber auch irgendwie unschuldigen Sounds, ein Paradoxon an sich ist. Bis die Musik jeden endgültig in das Land des Headbang Deliriums gezogen hat. Nun ist der Song zu Ende, nein doch nicht, der Drummer reißt noch einmal eindrucksvoll die Arme hoch um dann auf seine Drums zu dreschen, ein letzter Akkord lässt den Kopf noch ein einziges mal Nicken und damit sind die fünfzig Minuten, die uns vergönnt wurden, auch schon wider um.
Aber zum Glück gibt es noch den Merch-Stand, an dem ich mich auch unverzüglich mit den letzten beiden CDs der fünf Herren, Inner Seasons und Summon the Waves von den Berliner Setalight Records veröffentlicht, und einem hübschen Shirt eindecke. Da erscheinen sie auch noch neben mir, meine Helden. Um ein Autogramm bitten trau ich mich nicht, aber ich biete dem Gitarristen Tjesimir eins meiner Brausebonbons an, welches der auch, ganz freiwillig, entgegennimmt und zu dessen Verzehr sogar seine Pfeife aus dem Mund gibt. Ach, sie haben schon Stil, diese Herren. Das war definitiv besser, als von John Garcia angeschwitzt zu werden.
Eine halbe Stunde später stehen auch schon JUD auf der Bühne. Ein
deutsch-amerikanisches Trio mit Beziehungen zu Mondo Generator und The
Fulbliss, so hören sie sich auch an. Fieser, punklastiger Rock der so
machen zum Pogen einlädt.
Anders so das ebenfalls aus Kroatien stammende Trio Seven That Spells. Aggressiver, psychedelischer, polyrythmischer Sound vermischt mit ihrem kroatischen Blues und den “Occasional viking funeral rites“. Davon, punkig zu klingen, ist der bärtige Sänger und Gitarrist Niko weit entfernt, wenn er verkündet “We are a band from the 26th century, where Girls have Dicks a Men have Vaginas“.
Zu guter Letzt dann noch Union of Sleep. Sehr gemütliche, zwischen Doom
und Sludge anzusiedelnde Musik, macht dieses Quintett aus Hagen. Zu
dieser Stunde dann noch einer Band lauschen zu dürfen, die mein
Bedürfnis nach Schlaf zwar wohl nicht nachvollziehen, aber dennoch in
ihren Namen implizieren können, ist der perfekte Abklang dieses
Festivals.
Das Misty Mountain hielt sein Versprechen. Sehr klein und sehr fein. Die Atmosphäre war familiär, ähnelte einer Gatrenparty. So waren nicht nur die, mit Ohrschützern versorgten, kleinen Kinder dort willkommen, zu später Stunde ließen sich auch noch einige Senioren auf dem Gelände antreffen. Das Motto “One Day of Love, Peace and Loud Music” war sehr treffend gewählt.
Das Equippment wurde mit einem etwas größeren, am nächsten Tag
stattfindenden Elektronik-Event geteilt, wodurch ein unerwartet großes
und preiswertes Angebot an Kulinarischem vorhanden war. Aber auch beim
technischen Equippment war ein großer Aufwand registrierbar, der auf
das darrauffolgende Festival schließen ließ, wie z.B. die Lichttechnik und
die hinter der Bühne angebrachten Monitore.
Nächstes Jahr bin ich da wider.
lilli