Freak Valley Festival 2012
„Rauchschwaden ziehen über den Platz, umgeben das Publikum und lassen alles recht surreal wirken. Von der Bühne wummern die Bässe, die Gitarrenriffs dröhnen dazu. Die Wiese, mehr Matsch als Gras, ist gespickt mit Wolldecken und kleinen Klappstühlen. Einige der Zuschauer tragen bunte T-Shirts mit einem bärtigen Mann mit 70er-Jahre-Sonnenbrille darauf. Beim 1. Freak-Valley-Festival auf dem AWo-Gelände in Deuz ist die Stimmung am vergangenen Samstagabend ausgelassen-entspannt, musikalisch herrscht Hochstimmung. Eine friedliche Atmosphäre hüllt den Platz ein“ – Siegener Zeitung vom 20.05.2012
Treffender könnte man die erste Ausgabe des Freak Valley Festivals nicht beschreiben!
Donnerstag
Am Donnerstag machte sich unsere Crew auf ins Siegerland nach Netphen-Deuz, wo nach dem Desertfest in Berlin das zweite „große“ und erste OpenAir Underground-Festival im Jahr 2012 in Deutschland stattfinden sollte. Die Vorfreude war riesig, da die Rockfreakz aus Siegen ein Wahnsinns-Lineup zusammengestellt haben: Colour Haze, My Sleeping Karma, Lonely Kamel, Gentlemans Pistols, Glowsun, Mars Red Sky, …
Nachdem wir den Zeltplatz gefunden hatten, welcher leider ein gutes Stück zu weit vom Festivalgelände entfernt war, wurde sofort mit dem Aufbau begonnen, um der Einladung der Veranstalter zu folgen, sich gegen 21:00 Uhr auf dem AWo-Gelände einzufinden. Dort wurde man super mit Bier und Essen versorgt. Gegen kleine Preise konnte man es sich den Abend doch sehr gut besorgen.
Kommentar Nik: Solche Gesten zeichnen meiner Meinung ein super Festival aus, was von Menschen organisiert wurde, die eher daran interessiert sind, den Leuten ein unvergessliches Wochenende zu bereiten, anstatt sich die Kohle nur so in die Taschen zu schaufeln.
Freitag
Am nächsten Morgen trübte das Wetter unsere Stimmung doch ein wenig. Der Pavillon war, wie auch bei einigen Nachbarn, ziemlich zerstört. Dadurch, dass sich der Zeltplatz auf einer Anhöhe befand, peitschte der Wind alles kaputt was nicht festgemacht war. Laut der Veranstalter war die „Pferdekoppel“ nur eine Notlösung, sodass sich die Besucher im nächsten Jahr wohl auf einen weniger wetteranfälligeren Campingplatz freuen können.
Nach vielen Getränken bewegte man sich erst gegen 16:15 Uhr Richtung Festivalbereich. Godsleep und Ded Orse verpassten wir also…
Glowsun
Unsere Opener versetzte einen sofort in Trance. Zu Beginn spielten die Franzosen wie auf dem Desertfest in Berlin Death’s Face (Split LP sun and moon , Glosun/Electric Moon). Nach ein paar weiteren Songs setze dann allerdings der Regen ein, was jedoch keinen Einfluss auf das Publikum nahm – die Meute wirkte wie an die Bühne gefesselt. Zur Mitte des Gigs riss Johan eine Saite der Gitarre, was jedoch kaum auffiel, da das ganze improvisationstechnisch sehr gut kompensiert wurde. Nach gefühlten zehn Minuten verabschiedeten sich Glowsun bereits. Es waren viele Klassiker wie Green Suck, Green World, The End oder auch Virus zu hören.
Wir freuen uns auf jeden Fall die drei Franzosen bald wieder in Deutschland sehen zu können. Im September sind sie zusammen mit Monkey3 und Grandloom auf Tour und spielen das Up in Smoke Vol. 4 Roadfestival!
Wir hatten anschließend noch die Möglichkeit mit den Jungs im Backstagebereich ein kleines Interview zu führen.
Mars Red Sky
Bei noch schlechterem Wetter betrat die zweite französische Band Mars Red Sky die Bühne. Die Bordeauxer sind bereits auf ihrer zweitem Tour in diesem Jahr und ließen es sich daher auch nicht nehmen, sich und ihren unwechselbaren Sound im Siegerland zu präsentieren. Die melanchonische Stimme von Julien im Zusammenspiel mit dem mächtig klingend Basslinien von Jimmy ist einfach unbeschreiblich. Sie haben sicher bei vielen Festivalbesuchern einen prägenden Eindruck hinterlassen.
Nachdem wir uns bei 3SpeedAutomatic am Bierstand etwas trocknen mussten, stand als nächsten unsere Freunde aus Norwegen auf dem Plan:
Lonely Kamel
Durch ausdauerndes Touren durch ganz Europa und nach mittlerweile drei wunderbaren Alben sind Lonely Kamel zu einer festen Größe in der Szene geworden und haben sich einen Stammplatz auf den meisten einschlägigen Festivals erspielt.
Es ist immer wieder eine Freude, den vier Herren bei der Arbeit zuzuschauen. Gekonnt und druckvoll präsentieren sie ihre Songs und lassen dabei keinen im Publikum still stehen. Den Spaß, den sie dabei haben sieht man ihnen regelrecht an, was sich direkt auf die Zuschauer überträgt und die Stimmung anheizt. So und nicht anders ist auch ihr Auftritt beim Freak Valley Festival zu beschreiben, der den Regen mehr als erträglich machte.
Gentleman’s Pistols
Die englischen Gentlemen um Sänger und Gitarrist James Atkinson praktizieren feinsten Bluesrock alter Schule, der auf der Bühne am besten zündet. Die Songs sind von eingängigen Melodien geprägt und haben mir nach ihrem Gig am Freitagabend einen Ohrwurm hinterlassen…”’cause, I’m living in sin again.”
Bereichert wird das Songwriting von klasse Gitarrensoli, die in Kombination mit dem Erscheinungsbild der Musiker einen Flashback der 70s herbeiführen…man kann sich richtig vorstellen, in einem verrauchten londoner Pub, irgendwann ’75, dieser Band über den Weg zu laufen, während sie, in einer schlecht ausgeleuchteten Ecke gequetscht, wild umherwirbeln und ihre Songs zum Besten geben.
Nebenbei muss meiner Ansicht nach der Rhytmusgitarrist lobend erwähnt werden, der wirklich einen guten Job gemacht hat.
Nach der Show fanden wir einen völlig erschöpften Mr. Atkinson vor, der dennoch zu einem kurzen Interview bereit war.
My Sleeping Karma
Der Regen hatte ungefähr mit Lonely Kamel aufgehört und der Regentanz von und mit My Sleeping Karma konnte allem Anschein nach die Wettergötter besänftigen, denn am nächsten Tag herrschten sommerliche Temperaturen und die Sonne brannte uns aufs Hirn.
Es hat sich mal wieder gezeigt, dass die Jungs in jedem Fall bei Festivals auf die hinteren Slots in die Running Order gehören, denn nachts, mit mystischer Beleuchtung und erschöpft vom Tagesprogramm so eines Festivals, mit allem was dazugehört, wird man auf eine entspannende Reise geschickt und kann Körper und Geist erholen. Die Aschaffenburger haben, wie immer viel Spaß auf der Bühne und wie immer trifft die Beschreibung “sometimes one creates a dynamic impression by saying something, and sometimes one creates a significant impression by remaining silent” wie die Faust auf’s Auge.
Kommentar Nik: Immer wieder schön zu sehen, was für einen Spaß die vier Aschaffenburger auf der Bühne haben. Über Seppis Gesicht zieht sich ein Dauergrinsen, dazu wirkt die Gitarre wie ein Kinderspielzeug in seinen Händen. Zu geil!Und dann gabs den Regentanz…
Samstag
Im Gegensatz zum Freitag erwartet uns Samstagmorgen gutes Wetter, was die Vorfreude auf den zweiten Festivaltag zusätzlich steigerte. Doch auch an diesem Tag schafften wir es auch nicht die ersten Bands (Godsleep, Sedated Angels und Doctor Cyclops) zu sehen. So gings es zunächst zu einer gewissen schwedischen Band namens…
Dean Allen Foyd
Ohne eine besondere Erwartungshaltung sollte die Jungs der Einstieg in den zweiten Tag sein. Das, was ich allerdings zu hören bekam, war alles andere als ein gewöhnlicher Gig. Es war ein Ritt in die Vergangenheit – 60er Jahre Psychedelicrock mit Nuancen aus der Stonergenre. Augen zu und langsame Bewegungen zur Musik waren angesagt. Ich hatte vorher nie etwas Vergleichbares gehört und war daher wie hin und weg. Auch für die älteren Besucher musste dieser Auftritt eine Wohltat für Körper und Geist gewesen sein müssen. Mittlerweile dürften Dean Allen Foyd ihre Europa-Tour beendet haben, man freut sich auf jeden Fall auf den nächsten Auftritt der schwedischen Hippies!
Immernoch geflasht vom Auftritt schauten wir uns Grifters und Bushfire von weitem an. Beide Bands sind mir als sehr staubig in Erinnerung geblieben, die Briten eher Hard-Rock orientiert, das internationale Quintett driftete oft von bluesigen Parts in den Doommetal.
Während der Auftritte hatten wir noch die Möglichkeit mit den Organisatoren des Freak Valley Festivals ein Interview zu führen. An dieser Stelle nochmal einen großen Dank an Jens Heide und Marco Rehm.
Wicked Minds
Improvisationsreich, jamlastig, anders – diese drei Worte beschreiben die Italiener von Wicked Minds ziemlich treffend. „Anders“ aus dem Grund, weil zum einen wenig Parallelen zu den vorherigen Bands vorhanden waren und dass mit Monica Sardella eine Frau an den Vocals wars. „Jamlastig“, weil sich Negri (Hammond Organ) und Calegari (Gitarre) immer wieder einen Kampf um Leadpart leisteten. Genial, dabei zuschauen zu dürfen. Imporvisationsreich, weil u.a. Calegari in einem gefühlten vierzig Minuten Stück ein zehnminütiges Gitarrenintro mit anschließendem Solo hinzauberte! An dieser Stelle dachte ich nur: Ist Hendrix wiedergeboren? Davon lösen konnte ich mich erst mit Ende des Auftritts!
Für mich ebenfalls eine absolute positive Überraschung des Festivals. Fünf italienische Musiker mit Riesentalent – gerne wieder!
Bei herrlichem Wetter (verglichen zum Vortag eine Kehrtwende um 180°) freute man sich auf die beiden ausgegebenen Headliner.
Demon’s Eye feat. Doogie White
Musikalisch gesehen passt die Deep Purple Tribute Band hier nicht allzu gut, aber nach der Show, die sie ablieferten sind sie mindestens eine Erwähnung wert. Unterstützt wurde die, 1998 gegründete, Band vom ehemaligen Rainbow Sänger Doogie White und spielten sowohl Deep Purple Cover als auch Eigenkompositionen, aber Klasse bewiesen sie vorallem bei den Deep Purple Stücken.
Beim ersten Song wirkte das ganze noch recht steif und eher wie ein klassischer Haufen Profimusiker, die nach Schema F ihr Pensum abarbeiten…auf hohem Niveau zwar, aber sehr routiniert und nicht gerade spannend.
Doch weit gefehlt, denn schon der zweite Song kam lebendiger daher und sie schienen ihren Rhytmus gefunden haben, denn alles was folgte, war voller Emotion und alles andere als Langweilig. Der Gitarrist feuerte ein eindrucksvolles Solo nach dem nächsten ab und auch auf der Orgel wurden improvisations-Orgien gefeiert…ein wahres Fest, das mit besonderen Schmankerln gespickt war. “Child in time” beispielsweise wurde mit soviel Hingabe gespielt, dass man hören und fühlen konnte, wie lange sie schon Deep Purples Erbe am Leben erhalten und wie gerne sie das tun.
Als sie zu Ehren des kürzlich verstorbenen Ronnie James Dio – Gott hab‘ ihn selig – einen seiner Songs spielten, konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, Doogie White habe eine Träne verdrückt, was nur noch ein weiteres mal unterstreicht, mit wieviel Herzblut an die Sache herangegangen wird.
Colour Haze
Endlich kann ich mir das Flaggschiff des deutschen psychedelic Rocks mal live zu Gemüte führen. Für mich die letzte Band eines großartigen Festivals, dem auch zwei Tage schlechtes Wetter nichts anhaben konnten und nach dem sonnigen Samstag ist die Vorfreude noch größer.
Mir bleibt nichts anderes zu sagen als: Verdammt gut!
Hypnotisch und im nächsten Moment wieder druckvoll rollend breiten sich die Songs aus und begeistern von Anfang bis zum Ende. Mit einem fetten und trotzdem klaren Sound, der weder matscht noch sonstige Makel aufweist spielen Colour Haze sich und das Publikum in Extase um dann schlagartig ruhigere Töne anzuschlagen und sich in jazzigen Jamparts zu verlieren bis man mit einem gewaltigen Riff wieder in die Realität zurückgeholt wird…ich habe mich zeitweise dabei ertappt, dass ich gedanklich weit abgedriftet bin und mich minutenlang mit geschlossenen Augen von der Musik treiben ließ.
Ein gelungener Abschluss für ein gelungenes Festival.
Den Abschluss an ein wunderbares Festival – vielen Dank nochmals an Siegener Rockfreakz – gaben die Space Derbis, welche wir leider nicht mehr sehen konnten. Bis zum nächsten Jahr.
Fred & Nik