Desertfest 2014 – German Review

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2 Jahre sind schon wieder vergangen als die erste Edition des Desertfests ins Leben gerufen wurde.
Das Multikultitreffen für Wüsten-Freaks, Musikleidenschaftler und Artgenossen der undergroundigen Art geht nun in die dritte Runde und wie immer ist es uns eine große Freude Teil dieses Spektakels zu sein.

Mutter Roadburn in Holland öffnete bereits zwei Wochen zuvor ihre Portale und hatte die doomigste Saison des Jahres eingeläutet. Somit sind auch jene reisefreudigen Fans, welche diesmal in Berlin besonders vielzählig zugegen waren, bereits gut eingestimmt auf 3 Tage Stoner, Metal, Psychedelic und Blues Rock.

Das Bier wurde wie immer schon am Mittwoch Abend probegekostet und für gut befunden und die Nackenmuskulatur beim Warm-Up in der hiesigen Jägerklause dank Conan und The Graviators aufgelockert. So mögen die Spiele beginnen:


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Tag 1 – Donnerstag, 24.4.2014

Desertfest 2014 - CojonesDas Wetter könnte kaum besser sein und lockt Berlin Friedrichshain die ranzige Liebenswürdigkeit heraus. In Rücksicht auf Lichtallergiker und Nachtschwärmer, welche am Vorabend zu tief ins Glas geschaut haben, wird das Desertfest wie immer erst um 18:00 gestartet und mit den energiegeladenen Cojones mehr als perfekt eröffnet. Zwar reißt justament während des Prologs Clearing Potion Sänger Bojans Gitarrensaite, dank helfender Hände, sympathischer Scham und Humor wird darüber jedoch schmunzelnd hinweggesehen. Die Hummeln brennen in ihren Hintern und jagen sie quer über die Foyer-Bühne – einen besseren musikalischen Aperitif kann man sich als Besucher gar nicht mehr vorstellen.
In der großen Halle wird danach ein stilistisch komplett anderes Blatt aufgelegt – Anciiencts aus Vancouver, die gerade mit ASG auf Tour sind, und ihr Debütalbum Heart of Oak präsentieren, versprechen vor allem viel Progressive Rock und Stoner Metal im haarig-noblen Fasson. Zwar füllt sich die Halle nur mäßig, der Band scheint’s trotzdem wohlzubekommen.

Desertfest 2014 - Midnight Ghost TrainUnd da die kantige Prügel-Schwarte von Anciients noch nicht genug war, gießen The Midnight Ghost Train eine weitere Gallone Brennspiritus ins Feuer. Hard Rock trifft auf Southern Sludge, die sich beide direkt in die Eingeweide graben. Ihr mächtiger Gitarrist und Sänger Steve Moss ähnelt einem tanzenden Buddha, sein bebendes Stimmorgan verlautbart böse Kunde…nach Einbruch der Dunkelheit steht das Astra aber immer noch unversehrt da, meine Ohren befinden sich jedoch in einem anderen Zustand.
Dem taumeligen Geiste verlangt es nach Gemütlicherem. Passend, dass Siena Root soeben die Bühne entern und den Sommer von 1969 nach Berlin bugsieren. Den laufenden Wechsel des Gesangsoberhaupts ist man nach all den Jahren genauso gewohnt wie ihre grandiosen Live-Performances. Doch schaffen die Schweden es von Mal zu Mal Staunen und Freude in die Gesichter zu malen und Joe Nash übt seinen Job als Sänger hervorragend aus. Die “Dreams Of Tomorrow” werden schon heute gegenwärtig und auf die Sonne muss gar nicht mehr gewartet werden, da sie bereits auf der Bühne steht.

Für viele ist aber die folgende Band DAS Überraschungs-Highlight des Tages: Sleepy Sun aus San Francisco. Gitarren, die wie Türen knarren, Shoegaze-Psychedelic, ein verträumter, fast schon apathisch wirkender Sänger, exotische und tanzbare Rhythmen – eine Atmosphäre die man sonst nur von The Black Angels oder Black Mountain kennt. Sowas hatte man am Desertfest bislang selten aber vielleicht zieht genau diese Andersartigkeit das Publikum magisch an.

Desertfest 2014 - ASGHärter und direkter auf’s Maul bekommt man es von ASG zu hören und spüren. Und irgendwie passt der Sound auch zur bandinternen Optik – ultracooler Stoner Metal, dass sogar die Gitarren eine Skater-Kappe tragen sollten. Das neue Album Blood Drive wird seit Wochen fleißig promotet und am Desertfest dürften sie wieder einige Fans dazugewonnen haben um diese Mission zu erfüllen.

Wenn auch das Desertfest am guten Weg ist Kultstatus zu erreichen, einige seiner Bands haben ihn bereits seit Jahren. Spirit Caravan um Scott „Wino“ Weinrich sind eigentlich schon längst Geschichte, werden aber für eine diesjährige Exklusivtour aus dem Grabe geholt. Wino und all seine Schaffenswerke – seien es nun Saint Vitus, The Obsessed usw. – muss man halt mögen um sie auf Dauer nicht allzu monoton zu finden. Zugegebenermaßen rockt die Show kompromisslos, ehrlich und kultuswürdig und am Schluss wird gar eine richtige Party auf und jenseits der Bühne gefeiert. Powertime!!!

Tag 2 – Freitag, 25.4.2014

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Der Kopf ist schwer, der Nacken lädiert und die Augen klein – doch die Freude auf einen weiteren Tag voller Rock n Roll, Sonne, Bier und Bratwurst ist ungestüm.

Das Berliner Trio Red Stoner Sun berieselt geradezu adäquat mit leichtem Psychedelic Stoner inklusive Fu Manchu-Einschlag ohne das Gehirn zu überfordern oder aufgesetzt zu wirken. Schöne Road-Musik, die die Stimmung und Atmosphäre an diesem Nachmittag gekonnt widerspiegelt.
Mit The Moth aus Hamburg begrüßt uns der nächste nationale Act auf der Foyer-Stage. Der Gesang stimmt mich zugegebenermaßen zunächst etwas stutzig und hinterlässt Spuren der Verwirrung, mit der Zeit wächst jedoch das Gefallen an der Band, die im Stile von Kylesa vokale Kooperation zwischen Bassistin Cécile und Gitarrist Freden ausübt. Riff-lastiger und vor allem listiger Stoner Metal, sodass man danach doch glatt eine kalte Dusche benötigt.

Desertfest 2014 - Black RainbowsDiese muss jedoch noch zurückgehalten werden. Denn wer noch nicht weiß, wie supermothafuzzalicious die Italiener von Black Rainbows sind, ist sich spätestens nach dieser Show sicher. Tollwütig, breitbeinig und spielfreudig werden Cowbells penetriert, Becken zerborsten und der Bass geschwungen. Wenn der Tag jetzt schon so ultracool startet, kann man beruhigt guter Dinge sein, dass es noch besser wird.

Huata hatten leider aus persönlichen Gründen abgesagt, die Freunde und Desertfest-Kompagnons Grandloom stehen jedoch als Ersatz zur Verfügung. Statt bitterbösen Doom Metal gibt’s somit ausufernde Jamsessions im Heavy-Rock-Mantel. Nebst Larry Fairy und Orbit Wobbler lässt auch die übrige Setlist keine weiteren Wünsche offen und dem Huata-Rückzieher weint man kaum noch eine Träne nach. Gute Songauswahl, klasse Show!
Desertfest 2014 - Prisma CircusNach einem kurzen Päuschen und Energie-Reloading führt der Weg abermals ins Foyer, wo die jungen Spanier von Prisma Circus nach langwieriger Anreise zwar etwas hergenommen wirken, ihre Instrumente aber dennoch herwürgen und auseinandernehmen, als gäbe es kein Morgen. Steht da Stefan Koglek auf der Bühne? Nein – aber Gitarrist Oscar suhlt sich wahrlich im großen Talent und lässt so manche Münder offen stehen. Darüber hinaus birgt ihre Performance eine solche spielerische Leichtigkeit, Professionalität und Fähigkeit, wunderbar unkomplizierte und dennoch geniale Musik zu spielen, dass ich schlichtweg sprachlos bin.

Church of Misery gehören nicht gerade zum Easy-Listening, auch hatte ich schon bessere Shows von ihnen gesehen. Zusätzlich erinnert das große Getümmel im Fotograben und im Publikumsbereich an einen Satansdienst um die Meister der Serienmörder-Thematik zu huldigen, der propagierende Space-Doom Metal zählt schon weniger als Musik, mehr als Art of Mind-Statement. Bevor man selbst zum Opfer wird, sollte man aber doch lieber das Weite suchen…

Desertfest 2014 - Causa SuiWie viele Jahre mussten gezählt werden, endlich Causa Sui live zu sehen? Gefühlte tausende, scheint doch die nächste Sonnenfinsternis zeitlich näher zu liegen als ein weiteres Konzerterlebnis mit den scheuen Dänen. Aber dafür lohnt sich die Warterei umso mehr und böse kann man ihnen schon gar nicht sein. Das Astra fühlt sich an als sei es mit Sanddünen versetzt und von warmen Sonnenstrahlen durchflutet. Feinfühlige Gitarreninterludes dominieren ehe knackige Riffs der Ruhe einen Strich durch die Rechnung machen. Kontrolliertes Chaos, könnte man sagen, das von keinem Instrument wirklich dominiert wird. Das Kollektiv selbst ist in satten gelben Licht und dezenten Violetttönen gehüllt, als wolle sogar der Lichttechniker für die perfekte Stimmung dieses Momentes sorgen, ehe der Traum zu Ende ist. Denn wer weiß, wann man Causa Sui das nächste Mal wieder sehen wird.

Als Elder dann auch noch Dead Roots Stirring anstimmen, wird einem erst so richtig bewusst, dass Tag 2 des Desertfests so gut wie um ist. Dank ellenlanger Jam-Soli, die einem wie Spaziergänge durch felsige Wüstenlandschaften und krautüberwuchernde Wiesen vorkommen, schaltet das Hirn partout auf Stand-by und erfreut sich der Momente und Augenblicke, die Musiker und Publikum kreieren.

Desertfest 2014 - KvelertakIch wische mir den imaginären Sand aus dem Gesicht und galoppiere vorfreudig zu Kvelertak, die das ein und oder andre zartbesaitete Musikgemüt freilich etwas irritieren könnten, zählt rabiater Black Metal im Punk n Roll-Eulenpelz nicht grade zum Hauptrepertoire der Desertfest-Kuratoren. Diese komplett wahnsinnigen Norweger mit dem fast unaussprechlichen Namen stolpern, rotzen und pfauchen über die Bühne des Astras, schreien sich die Stimmbänder wund bis so manche Ader zu platzen scheint und neben Fossegrim und Ulvetid regieren Bruane Brenn und Apenbaring – was auch immer diese wundersamen Namen zu bedeuten haben. Immer wieder irre, wie viel Spaß purer Wahnsinn machen kann.

Tag 3 – Samstag, 26.4.2014

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Müde? Keine Spur! Doch hängen die Nachwehen der letzten Nacht noch etwas hinterher, somit wird zuerst mal im komfortablen Biergarten gechillt und das leichte Sonne-Regen-Gemisch eingeatmet.

Desertfest 2014 - CastleBei Castle sind Körper und Geist wieder annähernd fit. Vor der überaus selbstbewussten Sängerin, die gewaltig ihre Bass-Axt schwingt und ihren Brutalo Doom Metal aus dem Inneren ihrer Whiskey-versetzten Organe hustet, kann man entweder Angst oder Respekt haben – die Musik ist durchwegs grandios, böse, rasant und Motörhead-lastig.
Anders wie im Programmheft angekündigt, dürfen nun Stoned Jesus als erster Act des heutigen Tages die große Bühne bespielen. Die Bühnenpräsenz der jungen Ukrainer spiegelt auch ihre Musik wider indem sie mal gemächlich trottend, mal federleicht, mal flugs und agil imponiert. Diese gewaltige und interessante Konstellation aus diversen Rhythmen, Tempi und Stimmwandlungen verpasst es einem wahrlich kalt/warm, lässt einen kurzzeitig in der Schwebe ehe man wieder tief ins Erdreich hinuntergedrückt wird.
Anders machen es SardoniS. Die versuchen gleich gar nicht einem das Gefühl von Leichtigkeit zu vermitteln, sondern treten den am Boden kauernden Wurm nochmals gehörig in den Hintern, sodass er bis zum Erdkern kriecht und sich niemals mehr hervorzukommen traut. Diabolisch sitzt der Drummer als erste regierende Hälfte des belgischen Duos auf seinem hämmernden Thron, während der Riff-Meister an der Gitarre seine apokalyptischen Töne ausspeit.

Testosteron-geschwängert halten auch Sasquatch ihre knüppelnden Instrumente bereit. Ganz so böse wie ihre Vorspieler ist das kalifornische Trio zwar nicht, von Schüchternheit und Sensibilität ist es jedoch ebenso meilenweit entfernt. Das knochenschwere What have you done? und der rasante Burner Chemical Lady sind lediglich Beispiele eines kurzweiligen und muntermachenden Auftritts, der doch glatt zum kleinen Highlight des Tages avanciert.
Radar Men From The Moon zählen aktuell wohl zu den ausgefallensten Neuentdeckungen im Space Rock-Bereich. Vor allem ist bemerkenswert wie geheimnisvoll und mystisch ihr Sound ist: Instrumentaler Psychedelic ist nur der Grundriss, dahinter befinden sich tausende Schichten – sei’s nun noisiger Indie oder post-moderner Krautrock, am Schluss wird doch alles zusammengewürfelt und eine farbenprächtige Stringenz herausgezogen.

Um im chromatischen Lichtteppich des Foyers nicht ewig gefangen zu sein, weist mich der Weg nun wieder in die große Halle zur nächsten musikalischen Besonderheit. Ed Mundell, seines Zeichens ehemaliger Gitarrist von Monster Magnet und Gründungsmitglied von The Atomic Bitchwax, hat mit The Ultra Electric Mega Galactic ein neues Projekt ins Leben gerufen. Das ist nicht nur besonders toll, sondern auch ganz anders als seine vorherigen Werdegänge. Super-Space-Mega-Jam (um bei den ganzen anglistischen Adjektiven zu bleiben) wäre die passende Betitelung und ich denke, ein jeder Desertfest-Besucher konnte sich bereits im Vorhinein grob ausmalen, was hier im Angebot steht. In welcher Dimension das „Wow“ nach diesem Konzert ausgerufen wird, bleibt jedem selbst überlassen – ich bin definitiv von den Socken.

Wer The Graviators beim Warm-up-Spektakel in der Jägerklause verpasst hat, bekommt jetzt die Chance die schwedischen Stoner-Rüpel in Aktion zu sehen. Was die Band ausmacht, ist wohl die Affinität zu relativ schönem und klaren Gesang und gleichzeitig die Eier am rechten Fleck zu haben. Zwei Kontroversen, die gerade in diesem Genre vielleicht schwer zu finden und vor allem im direkten Vergleich zwischen Platte und Live-Performance noch schwieriger zu meistern sind. Gut für uns, dass The Graviators auch diesmal nicht enttäuschen.

Desertfest 2014 - Radio MoscowHeute mal ein weniger tolles Konzert zu erleben, gestaltet sich zunehmend immer schwieriger.
Wenn dann auch noch Radio Moscow dran sind, wird es ohnehin schon herausfordernd. Der kontemporäre Trubel um sie ist zumindest mal berechtigt, denn jahrelang schien es so, als würden sie immerzu den europäischen Bühnen fernbleiben. Blutjunge Burschen, die im Säuglingsalter mit 60’s und 70’s Blues Rock gestillt wurden und dann auch noch so klingen und aussehen – da kann das Herz nur höher schlagen.

Auf der Suche nach einem nassen Handtuch stolpert man aber schon über die nächste Band. The Machine zählen mehr zum Inventar als zu den Gästen, verzichten will man aber auch nicht.
Der Bleifuß legt sein Gewicht bereits auf‘s Fuzz-Pedal, Hans mimt das Alien in der Pyjamahose und neben einem mehr als schönen Tribut an unser aller Freunde von Sungrazer speit das Trio einen brachialen Gitarren-Regenbogen, der mehr Mindfuck als Rationalität birgt.

Desertfest 2014 - ClutchUnd dass Clutch nun die Position des würdigen Abschluss-Headliners übernehmen, erfreut nicht nur jeden Besucher sondern auch das komplette Team des Desertfests. Leute stürzen wie zu Marathonläufen in die große Halle und jede Mikrobe nimmt ihren Platz ein. Neil Fallon und Co. müssen niemandem mehr etwas beweisen, der Rock-Zenith ist ihnen zweifellos auf die Bäuche geschrieben. Mit Earth Rocker wird der Hexenkessel eröffnet, im Publikumsbereich werden gegenseitig Köpfe eingeschlagen, Absperrgitter zerlegt und Stimmbänder ausgezehrt – unglaublich, was hier abgeht. So wie der Opener ist auch die übrige Songauswahl hauptsächlich nach dem gleichnamigen jüngsten Album ausgelegt, wird aber auch von Klassikern wie The Mob Goes Wild oder Spacegrass verfeinert. Electric Worry muss zwar ohne Mundharmoniker auskommen, im Zugabendrittel suhlt es sich aber dennoch in Jubel und Verneigung.

Dass das Ende nun so nah ist, überrumpelt zunächst, wird aber dank beeindruckender Musiker, verrückter Kunst und einzigartiger Momente dankend angenommen. Vielen Dank auch an Sound of Liberation, die ganze Desertfest-Crew, alle Beteiligten und Freunde.

Ruth für stonerrock.eu

weitere Fotos gibt’s auf: Desertfest Galerie
weitere Infos gibt’s auf: Desertfest.de