Rock im Wald 2015
Was ist klein, familiär, wunderschön und feierte am 24.7. seinen 20. Geburtstag? Genau, meine Freundin Jessica…und natürlich auch das Rock im Wald! Also beste Vorraussetzungen nach dem tollen letzten Jahr erneut nach Oberfranken zu fahren und gemeinsam Geburtstag zu feiern.Idyllisch gelegen mitten im Wald auf dem Sportplatz des VfB Neuensee befindet sich das Festivalgelände. Der gepflegte Fußballrasen lädt zum chillen ein, ein öffentlicher Schlauch mit kostenlosem Trinkwasser zur Abkühlung direkt am Eingang, einige Sitzmöglichkeiten und schattenspendende Zelte zeigen, wie sehr den Veranstaltern das Wohl der Besucher am Herzen liegt. Überall liegen Zeitschriften und Programmhefte aus um die Umbaupausen zu überbrücken und alles ist darauf ausgelegt, dass der Besuch des Festivals so angenehm wie möglich in Erinnerung bleibt. Und da sich das nach den 20 Jahren mittlerweile herumgesprochen hat, ist das Rock im Wald 2015 erstmals komplett ausverkauft! Gratulation dazu an dieser Stelle.
Eine Biergarten-ähnliche Sitzecke für mehrere hundert Mann im Schatten der Bäume, ein exzellentes Preis-/Leistungsverhältnis und eine, im Vergleich zum Vorjahr, verdoppelte Auswahl an Imbissbuden runden das positive Gesamtbild ab. Auf dem Weg zu den ersten Bands bemerken vorallem Rock im Wald-Neulinge den nächsten positiven Aspekt: Länger als 5 Minuten in nüchternem Zustand bzw. 10 Minuten zu späterer Stunde braucht kein Besucher zu laufen, bis er vor der Bühne steht. Park- und Zeltplätze nah am Festivalgelände sind vor allem beim wechselhaften Wetter an diesem Wochenende von Vorteil. Am Freitag gefühlte 40°C im Schatten, nachts ein heftiges Gewitter, dass den Samstag ziemlich abkühlte und heftige Sturmböen die an flüchtig zusammengebauten Zelten, Pavillons und Bauzäunen ihr Unheil anrichteten. Nachdem wir aber Daheim in den Nachrichten heftigere Bilder gesehen hatten, wurde uns allen erst bewusst, wie glimpflich wir davon gekommen waren. Dem Spaß auf dem Zeltplatz tat dies alles jedoch keinen Abbruch.
Aber das alles brachte die Rock im Wald-Crew nicht aus dem Konzept, stets höflich, nett und entspannt waren die Veranstalter und alle Mitwirkenden. Vor allem die Securities überraschten mit ihrer gelassenen Art und teilten nach Feierabend bei einem kleinen Schwätzchen sogar ihre Pizza mit uns auf dem Zeltplatz und lobten die Rockfans als die friedlichsten ihrer Art…so funktioniert Deeskalation! Es gab keine nennenswerten Zwischenfälle, alles blieb friedlich wie man es auf solchen Veranstaltungen gewohnt ist.
So, nachdem sich jetzt hoffentlich jeder ein gutes Bild über das Rock im Wald machen kann, kommen wir mal zur eigentlichen Hauptsache, der Musik. Es wird immer wieder betont, dass das Rock im Wald keine reine Stonerrock Veranstaltung ist…und das finden wir auch gut so! Andere Stilrichtungen bringen frischen Wind in so ein Wochenende. Insanity Alert aus Österreich zum Beispiel sorgten mit ihrem kruden Thrash/Crossover der Marke S.O.D. für reichlich headbangen und einige Schmunzler. Da werden Krabbenscheren-Handschuhe und Wackelaugen-Brillen ausgepackt und sogar ein gewisser Iron Maiden Song mit „Run through the pit, mosh for your live“ veralbert. Die Bitch Queens fegten mit einem druckvollem Punkbrett über die Bühne und Motorjesus verbreiteten mit ihrem partytauglichen Heavy Rock ordentlich Stimmung. John Coffey aus Holland sehen auf den ersten Blick aus wie ein New-Kids Abklatsch, lassen aber mit ihrem energiegeladenen Alternative-Punk das Publikum mit offenen Mündern zurück. Ebenfalls ziemlich Festival-untypisch, aber eine klasse Idee, war das gemeinsame Frühschoppen im Gelände von 9-12 mit Weißwurst, Bier und anderen Leckereien, untermalt von akustischer Livemusik durch das The Homies & Spasten Flamingo Team. Das könnte in der Art gerne auch bei anderen Festivals die Runde machen.
Eine große Überraschung für uns und viele andere waren The Picturebooks. Zwei kräftige, langhaarige, vollbärtige Biker brachten nur mit Gesang, Schlagzeug und Gitarre haufenweise Emotionen rüber. Ein Drummer, der wie besessen auf sein spärliches Kit ohne Becken eindrosch, das nur aus Bassdrum, drei riesen Toms, Snare und einer Kuhglocke bestand. Und ein Frontmann, der so viel Seele in seine Stimme und sein Gitarrenspiel legte, dass einem die Nackenhaare aufrecht standen. Stampfender, erdiger, bluesiger und minimalistischer Rock vom feinsten! Überragend waren auch Greenleaf, die wie immer eine kraftvolle Show ablieferten und quer durch ihre bisherigen fünf bisherigen Alben spielten. Vor allem Gitarrist Tommi und Sänger Arvid ziehen die Zuschauer immer wieder in ihren Bann!
Auch die drei sympathischen Isländer von The Vintage Caravan haben nichts anbrennen lassen. Spielfreudig, gut aufgelegt und ordentlich schwitzend in der Freitagabend Sonne wussten die Jungspunde das Publikum zu begeistern. Trotz ihres geringen Alters spielen sie unglaublich tight zusammen und lassen auf eine blendende Zukunft hoffen. Die großartige Stimmung während des ganzen Festivals spiegelte sich schon Freitag während der zweiten Band wieder. Unsere alten Bekannten Cojones wurden nach ihrem Klasse Gig so frenetisch um Zugabe gebeten, dass die Veranstalter sogar zu diesem frühen Zeitpunkt ein Auge zudrückten und sie noch einen raushauen durften. Da ist die Zufriedenheit der Fans halt auch mal wichtiger wie 5 Minuten weniger Umbaupause.
Natürlich dürften die meisten aber wegen den klasse Headlinern angereist sein und da hat sich die Rock im Wald Crew dieses Jahr nicht lumpen lassen. Kadavar versüßten uns die Nacht am Freitag, vorallem „Tiger“ Christoph an den Drums ist immer wieder eine spieltechnische Augenweide. Der intensive, psychedelische End-60er/Anfang-70er Rock des Trios begeistert nach wie vor die Massen. Die starken Songs und der kräftige Sound tragen dazu bei, dass vielen dieser Gig ins Gehirn eingebrannt bleibt! Am Samstag verwöhnt uns dann erstmal eine wahre Wüstenlegende: Brant Bjork, Gründungsmitglied von Kyuss und musikalischer Weltenbummler, ist mit seiner Low Desert Punk Band zu Gast in Oberfranken. Den jüngsten Erfolg mit dem aktuellen Album Black Power Flower merkt man den Jungs voll und ganz an. Selbstsicher, aber nicht überheblich gehen sie zu Werke, an Lässigkeit kaum zu überbieten. Manche der Songs werden auch ausschweifend gejammt, man versteht sich halt blendend untereinander. Nach diesem kurzen musikalischen Abstecher in die kalifornische Wüste kommt eine kühle Brise aus Skandinavien auf uns zu.
Die in Schweden ansässige, multikulturelle Bluesrockgruppe Blues Pills dürften mittlerweile die meisten kennen. Die typisch soulige Stimme von Sängerin Elin Larsson und das virtuose Gitarrenspiel des jungen Franzosen Dorian Sorriaux begeistern mittlerweile nicht mehr nur den Untergrund, ihr Debutalbum schaffte es voriges Jahr auf Platz 4 der deutschen Albumcharts. Auch wenn ich mir persönlich etwas mehr „Dreck“ im Gitarrensound wünschen würde, fast das komplette Festival sah und feierte das letzte Konzert des diesjährigen Rock im Wald.
Nachdem also die tollen Eindrücke vom Rock im Wald 2014 nicht nur bestätigt, sondern sogar übertroffen wurden, können wir nur jedem wärmstens empfehlen im nächsten Jahr selbst an einem der atmosphärischsten, familiärsten und wundervollsten kleinen Undergroundfestivals überhaupt teilzunehmen. Unser persönlicher Dank gebührt den Veranstaltern, allen beteiligten Mitarbeitern und Helfern, den tollen Bands und natürlich den bestgelauntesten Fans überhaupt, die dieses Festival zum Erlebniss werden lassen.
Hoffentlich bis nächstes Jahr, eure
Kevin & Jessica