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The Melvins – Hold It In

 The Melvins - Hold It In

Ein weiteres Album herabgeschwemmt aus unbekannten Dschungeln

Hold It In

The Melvins

Die musikalische Beharrlichkeit wurde bei einer Truppe wie den Melvins immer schon stark beansprucht und auf Elastizität geprüft. Wenn Buzz Osborne und Dale Crover dann auch noch mit Mitgliedern der Butthole Surfers ihre Berge des Wahnsinns bilden, so sollen die Genrevariationen nicht zu kurz kommen. Nach dem Cover-Auswurf Everybody Loves Sausages von 2013 darf sich ein jeder Melvins-Fanatiker auch zu Hold It In mit Wurst bekleckern und in Morast suhlen, so närrisch und unlangweilig ist das Ergebnis.

Altbewährt und fast schon vorsichtig rutscht Bride of Crankenstein mit sludgigem Doom und Buzz‘ vollmundigem Röhren auf der Rückbank eines verdreckten Jeeps herum, bevor man beim zweiten Track You Can Make Me Wait wahrhaft dämlichen Soft Rock für Warmduscher im Vocoder-Bademantel entdeckt, der wohl noch in der 90er-Epoche mittelmäßiger Teen-Formationen hängen geblieben ist. Nachdem man sich vergewissert hatte, dass es sich noch um die gleiche Band handelt, taumelt Brass Cupcakes im parodierten 70er Pop ’n Roll um die Ecke. Dass die Melvins mit Paul Leary an der Gitarre und Jeff Pinkus am Bass die adäquatesten Spielgefährten für ihr tragikomödiantisches Treiben gefunden haben, hört man vor allem im Songwriting und seinem Arrangement. Das würzige Onions Make The Milk Taste Bad, welches mit Südstaaten-Gitarren und Stoner-Flair überzeugt sowie das anschließende Eyes On You aus alten Clutch-Hymnen-Zeiten, wecken Erinnerungen an sommerliche Buschenschank-Nächte – kurz bevor man besoffen von der Garnitur rutscht.

Das unschuldig titulierte Sesame Street Meat widerspricht seinem Namen und trampelt knochenschwer auf der bereits blutigen Nase herum, Nine Yards wird punkrockend und unkontrolliert vom Butthole Surfers-Duo dominiert und dank gezielter Effekte durch den Kakao typischer Geschmacklosigkeit gezogen. Mit einer Länge von über 7 Minuten bedient sich der zweitlängste Track des Albums – The Bunk Up – den meistens Genres: hektische Stakkato-Rhythmik, die schließlich an Dynamik verliert, ufert in ein verwunschenes Shoegaze-Träumchen mit Akkordeon aus und kehrt schließlich durch Buzz‘ ernste Stimme zum Alternative Rock zurück.

Der Ween-geschwängerte Roadhouse-Blues I Get Along (Hollow Moon) wäre als Elvis-Imitation fast schon salonfähig, hätten die Melvins Surfers nicht noch ein paar Gimmicks an grotesken Verdrehtheiten im Repertoire, die mit House of Gasoline ihr kurzweiliges 12-Minuten-Ende finden. Wie beim 1993er Houdini genießt die Band im Abschlusstrack ihren Ruf als Praktizierer musikalischer Foltermethoden um konsequente Monotonie in niemals enden wollenden Industrial-Noise zu verwandeln.

Auch im 31. Existenzjahr erhält man als Melvins-Hörer ein mit Souveränität gespicktes Amüsement, das weiterhin viel Debilität und schelmische Coolness inhaliert hat. Diese Komponenten stellen unter Beweis, mit den Melvins nach wie vor die präsenteste und kompromissloseste Undergroundband der Szene vor sich zu haben. Wer mit ihnen davor schon nichts anfangen konnte, wird auch mit Hold It In ein weiteres Brechmittel gefunden haben. Fans jedoch dürften – so wie ich – zunächst konfus, aber dankbar über eine weitere Dehnung des Horizonts sein.

1. Bride of Crankenstein
2. You Can Make Me Wait
3. Brass Cupcake
4. Barcelonian Horseshoe Pit
5. Onions Make The Milk Taste Bad
6. Eyes On You
7. Sesame Street Meat
8. Nine Yards
9. The Bunk Up
10. I Get Along (Hollow Man)
11. Piss Pisstoferson
12. House of Gasoline

Laufzeit: 53 min

Anspieltipps: Bride of Crankenstein, Eyes On You, The Bunk Up

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