Archive for Dezember, 2012

Red Fang – Essigfabrik Köln (09.12.2012)

Nehmen wir mal an, die Maya behalten Recht und dieser Planet geht in knapp zwei Wochen über die Wupper. Den Leuten, die Sonntagabend in der Kölner Essigfabrik zu Gast waren, wäre das mit Sicherheit ziemlich egal, denn was sie geboten bekommen haben, hätte ruhig das letzte Konzert auf Erden sein können. Richtig großes Entertainment-Kino (The Steve Burner Project Experience), tonnenschwere Riffs (El Caco) oder Blut, Schweiß, Tränen und stage diving (Red Fang), das alles stand auf der Speisekarte an diesem schönen Abend.
Aber der Reihe nach.

Eröffnet wurde das Set von The Steve Burner Project Experience. Vier grundsympathische Jungs aus Köln und dem Sauerland, denen man einfach anmerkt, dass sie die Stromgitarrenmusik mit der Mutterbrust aufgesogen haben. Obwohl es ihr mit Sicherheit größter Gig bisher war, war von Nervosität nichts zu spüren. Souverän ballerten sie sich durch ihr Set, bestehend aus Heavy Rock gemischt mit allerlei anderen Zutaten (Punk, Metal und allem anderen, was irgendwie in den Arsch tritt). Große Rockstarposen inklusive. Egal ob man mal mit zwei Bässen statt zweier Gitarren spielt oder ein mündliches WG-Gesuch ans Publikum richtet, The Steve Burner Project Experience haben das Publikum unterhalten, und zwar richtig gut. An alle Kölner, die vielleicht noch ein WG-Zimmer für den sympathischen Frontmann frei haben, schickt der Band doch eine Nachricht auf Facebook oder ähnlichem. Damit macht man ihm sicher eine Freude in der Vorweihnachtszeit.

Als nächstes standen El Caco auf dem Programm. Das norwegische Trio aus Lillestrøm ist mittlerweile seit über zehn Jahren im Geschäft und diese Routine merkte man ihnen auch an. Zielsicher schmissen sie ihre unendlich schweren Riffs Richtung Publikum die das ganze dankend mit kreisender Matte aufnimmt. El Caco bringen ebenfalls etwas Wichtiges mit, nämlich Abwechslung. Manche Songs klingen nach tiefstem Doom-Metal, dann wiederrum werden klassische Stoner-Riffs rausgehauen und an manchen Ecken hört man eine gewisse Nähe zu Tool, vor allem was die Gitarrenarbeit und die Rhythmik angeht.

Soundtechnisch wurden jedenfalls die Weichen langsam Richtung Red Fang gestellt und als diese dann die Bühne betreten kennen die Schätzungsweise 800 Leute in der Essigfabrik (wie es zu erwarten war) kein Halten mehr. Red Fang gehören sicher zu DEN Gewinnern 2011/2012, ihre Fangemeinde wuchs stetig und schnell und ihr zweites Album Murder the Mountains konnte sowohl Kritiker als auch Fans überzeugen. Ihre genialen Videos zu den Songs taten ihr übriges, der Band aus Portland beim Aufstieg zu helfen. Ich habe Fans getroffen, die mit der Bahn nur für den Gig aus Berlin (580km), aus Leipzig (500km) oder Schwäbisch Hall (knapp 400 km) nach Köln gereist sind, um Red Fang bei ihrem leider einzigen Deutschlandkonzert zu zelebrieren, was meiner Meinung nach schon Bände spricht.

Hank is Dead eröffnet das Set der vier bekennenden Bierliebhaber und von Sekunde Eins an flippt das Publikum aus. Vor der Bühne liegen sich die Leute in den Armen oder auf dem Hallenboden, man sieht nur noch Haare rumfliegen und ein einziger Bierregen aus durch den Saal segelnden Bechern bestimmt das Bild. Einfach großartig anzusehen und irgendwie genau so, wie man sich das Ganze vorgestellt hat. Dem geneigten Fan solcher Events (mir zum Beispiel) geht bei einem Anblick wie diesem das Herz auf, wenn sich sowohl die Leute auf als auch vor der Bühne vollends verausgaben. Der Boden vor der Bühne besteht mittlerweile nur noch aus einer Mischung aus Bier, rein getragenem Schneematsch und Schweiß. Dass es die reinste Rutschpartie ist, stört niemanden sonderlich und so liegen häufiger mal Menschen übereinander, ihnen wird wieder hochgeholfen und das ganze geht wieder von vorne los.
Nach den ewigen Touren, die die Band mittlerweile hinter sich hat, spielen sie die Songs perfekt und da es das letzte Konzert für die Jungs in diesem Jahr sein wird, geben sie auf ihrem Endspurt nochmal alles. Schnellere Nummern wie Sharks, Dirt Wizard oder dem neuen Crowns in Swine geben sich die Klinke in die Hand mit groovenden Songs wie Throw Up oder dem Klassiker Wires. Die Zuschauer nehmen alles dankend an, entern die Bühne um im hohen Bogen wieder von ihr runter zu fliegen. Ob jemand da ist, um sie aufzufangen, scheint vielen einfach egal zu sein. Sowas nennt man wohl den absoluten Rausch. Prehistoric Dog darf natürlich auch nicht fehlen. Dass sich am Bild des ausrastenden Publikums nichts ändert, eher im Gegenteil, dürfte bei diesem Song klar sein.

Danach verlassen Red Fang Bühne um kurz darauf noch für eine Zugabe zurück zu kommen. Suicide hieß der Song und war ein Cover der großartigen 70er Veteranen Dust. Inklusive einem ausschweifenden Bass Solo zum niederknien.

Also, sollten die Maya Recht haben und das war der letzte Red Fang Gig, den die Welt gesehen hat, es wäre ein mehr als würdiger Abschluss gewesen. Aber ich bin guter Dinge, dass wir auch nächstes Jahr wieder diese Band zu Gesicht bekommen werden und mal ehrlich:
Besser kann man 15,- Euro nicht investieren.

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Sandra Tilmans!

Wight & Trippy Wicked – Chihuahua From Mars Attacks Tour 2012

Wie soll man die Erlebnisse einer Tour wiedergeben ohne es auszuschmücken, um die ganze Sache spannender erscheinen zu lassen? Im Grunde ist die Zeit auf Tour recht langweilig, also muss man sich den Alltag im Auto irgendwie spannend gestalten. Man wird warm miteinander und muss die Zeit mit vielen Leuten auf engem Raum totschlagen; man kommt in eine Bullshit-Schleife, Lach-Flashs und neigt aus Gruppendynamik zum Alkoholismus und Drogenkonsum.

Daneben muss man ein paar Stunden am Tag fit sein um sein Zeug zu schleppen, einen guten Gig zu spielen (denn das ist ja schließlich Sinn und Zweck der Tortur) und schließlich wieder alles abzubauen, ohne was zu vergessen.

Es folgt also ein kleiner Bericht aus einem kleinen Tourbus, einem der vielen hunderte, die sich auf unseren Straßen täglich bewegen. Musiker, aus 2 Ländern, die sich entschließen unbequem zu reisen, dafür aber viel Offenheit, DIY-Spirit, Liebe zur Musik und Entschlossenheit ihre Musik zu teilen, im Gepäck haben.


Tourvideo – Trailer

Die Tour begann für mich schon mal ziemlich erniedrigend, weil ich am Tag der Ankunft der Engländer direkt einen bleibenden Eindruck hinterlassen habe, indem ich in der Darmstädter Bar Cluster beim “Willkommens-Trunk” den totalen Cluster-Fuck erlebe und mein Körper sich ungewollt auf dem Boden breit macht. Allerdings stärkte das gleich nach dem ersten Schock die deutsch-englische Bruderschaft, denn brüderlich bin ich auch nach Hause getragen worden.

Darmstadt wurde während der Tour zu unserem Headquarter, hier gab es immer zahlreiche Pennplätze, die öfter genutzt werden mussten als eingeplant wegen Fehlorganisation von Veranstaltern (Grüße nach Straßburg) oder auch manchmal aus reiner Bequemlichkeit (eigenes Bett oder Matratzenlandschaft in Hanau?).

Überraschend gut war das Essen auf der Tour (Anm. für Unerfahrene: Vor einer Tour sollte man sich lieber ein kleines Pölsterchen anfressen). Bis auf die typische Pizza-Alternative (Grüße nach Straßburg) gab es jeden Tag Selbstgekochtes. Frische, vegane Curry-Spätzle mit Gemüse, Tofu und Cashew-Kernen, wow, eindeutig besser als das tägliche Chili con Soja der letzten Tour mit den Malakas von Bushfire. Sowohl für den Magen als auch für die Flatulenz.

Diese Tour gab es auch weitere besondere Highlights. Zum ersten mal spielten wir eine Show im Radio (Radio Unerhört Marburg). Meine Vorstellung war eine John Peel Session, ziemlich schön aufgezogen und produziert, so wie man es sich als Toningenieur gerne wünscht – Nix da! Es war old-school mit Stereomikrofonie, Was dem Charme des Sounds allerdings ziemlich zu Gute kam. Unser Soundmann Nico hat uns einen schönen Klang im Raum verpasst, die Verstärker angeglichen sowie die kleine Gesangsanlage. Als Schmankerl gab es sogar Gäste im Aufnahmeraum, die Montags abends um 20 Uhr sturzbetrunken den Wochenstart mit uns feierten und sich sie Nacken zerstörten.


Ausführliches Video Tagebuch

Ein zweites „erstes Mal“ gab es für Wight in Frankreich. Je t’aime Paris… das war der Hit-Shit. Der Gig im Le Combustibles hat sich so angefühlt wie Serge Gainsbourg und Jane Birkin „oh mon amour oui je t’aime“. Straßburg ist übrigens auch ‘ne schöne Stadt…

Unser englischer Bus hat also eine ganz schöne Distanz zurückgelegt wenn man bedenkt dass er von der Insel nach Darmstadt gefahren wurde und von dort zwischen Frankreich und Ost-Deutschland gependelt ist. Ich selbst bin auch gefahren, eine tolle Erfahrung. Am Anfang habe ich zwar immer die Tür geöffnet, wenn ich schalten wollte aber irgendwann ging es auch mit der Orientierung auf der Fahrbahn und dem spiegelverkehrten Fahrerhaus.

Nach unzähligen Bieren unzähliger Sorten, die sogar irgendjemand chronologisch notiert hatte, fiel es richtig schwer schon nach 10 Tagen Abschied zu nehmen. Man kennt das ja unter Sauf-Kumpanen: „Ich hab dich so gerne… Niemand versteht mich so wie du… Ich will gar nicht mehr weg von der Tour!“

Trotzdem ist man beim ausnüchtern zu Hause auch wieder froh nicht den ganzen Tag im Auto zu verbringen, eine tägliche Hygiene zu genießen und vor allem das Hirn von dem ganzen gelaberten Bullshit zu erholen… Was zur Hölle hat William Shatner mit analen Porno-Praktiken zu tun?? Egal, nicht weiter drüber nachdenken, sonst „shatnert“ er auch in euer Gesicht.

Wicked! Get in the Chopper! Aaargh!

Abschließend möchte ich sagen, dass es immer ein grandioses Erlebnis ist auf Tour zu sein. Es fühlt sich an wie die Klassenfahrten früher, nur dass es keine Regeln und Aufpasser gibt! Die Musik auf der Bühne mit dem Publikum zu teilen ist ein unbeschreibliches Gefühl. Es muss nur ein einziger Mensch im Raum sein, bei dem etwas ankommt, dessen Seele auf unserem Sender etwas empfängt und das kann einen schon sehr glücklich machen! Danke an alle Städte, Promoter, Helfer, Tonmenschen, Mercher und an Trippy Wicked, die diese Zeit mit uns geteilt haben.

– Rene (Wight)

http://www.wightism.de/

Been Obscene/Prototyper/Zyonara – Wien – 07.12.2012

Roadtrip to outta Space – der Arena Wiens eigenbenannte Stoner-Konzertreihe – nähert sich dem Ende eines erfolgreichen Jahres. Was man vor allem 2012 als österreichischer Musikfreund gutheißen kann, ist die Tatsache, dass die inländische Stoner-Szene einiges an potentiellem Zuwachs erlebt hat. Ein freudiges Ereignis also, dass sich am Freitag, den 7.12.2012 die „alten“ Hasen von Been Obscene mit den jungen Zyonara und den Wienern Prototyper die Bühne geteilt haben.


Zyonara: Der Dreiraum ist gut gefüllt und die Oberösterreicher von Zyonara geben schon von Beginn an ordentlich Gas. Der Sound erinnert gesanglich etwas an Cojones und lässt Psychedelic, Stoner und einen Hauch Grunge zusammenfließen. Vor allem ihre sympathische, authentische und charismatische Art mit dem Publikum zu kommunizieren – sowohl verbal als auch musikalisch – brandmarken einem direkt die Freude ins Gesicht.

Prototyper: So wie ihre Vorgänger sind auch Prototyper neu im stonerrock’schen Gewerbe tätig, konnten jedoch schon einige namenswerte Gigs und Supports verzeichnen. Songs wie Don’t believe in it ( der sich streckenweise wie die alten QOTSA anfühlt) sorgen dafür, dass man so lange wohlwollend durchatmet bis der ganze Mund voller Dreck und Staub überläuft. Harte Riffs und reibeisige Vocals lassen den Grundstein des Heavy Rocks nicht außer Acht und das Quartett bereitet durch seine intensive Live-Show vor allem eins: Heißhunger auf ein Album im kommenden Jahr!

Been Obscene: Fast 2 Jahre hat’s gedauert bis die Salzburger wieder die Bühnen der Arena betreten. Die Energiereserven haben sie sich scheinbar gut aufgespart, denn aus den Jungspunden, die 2008 wie aus dem Nichts hervorschossen, sind reife und vor allem erfahrene Musiker geworden. Die spielerische Leichtigkeit merkt man vor allem ab der 2. Hälfte des Konzerts, das eine gute Songmischung aus ihrem Erstling The Magic Table Dance und dem 2011 erschienenen Night o’Mine darstellt. Balladesker Alternative Rock, Psychedelic und unerwartete Stoner-Dynamik, wie das anfänglich ruhige und mit der Zeit ausufernde Demons oder der peitschende Track Uniform, sorgen für den Ohrwurmfaktor und einen rundum positiven Vibe.

Kurzes Fazit: zufriedener kann man einen Konzertabend kaum verbringen!