Sonntag
Der Sonntag sollte für mich der Tag der alten Bekannten werden. Wobei “alt” wohl eher das falsche Stichwort ist. Im Gegenteil, Sungrazer, The Machine und Samsara Blues Experiment gehören mit zu den jüngsten Gesichtern auf dem Roadburn. So entdeckt und begrüßt man sich beim Merchstand, was die ganze Indoor-Festivalsache etwas auflockert. Überhaupt, das Publikum scheint am eher psychedelisch angehauchten Sonntag sehr viel entspannter. Vielleicht weil die ganzen grimmig drein schauenden Hardcore-Metaller sich nur ein 3-Tages-Ticket gekauft haben und vermutlich schon mit verschränkten Armen im Zug nach Hause sitzen und eigentlich glücklich wie noch nie sind…
Naja egal, die Leute im Green Room begleiten Sungrazer jedenfalls mit Applaus auf die Bühne. Zu deren Livequalitäten muss man eigentlich auch gar keine Worte mehr verlieren. Tolle Psychedelic-Rock-Songs, mit klaren Strukturen. Sungrazer verlieren sich nicht in irgendwelchen Klangwelten, sondern wissen die Songs im Rahmen zu halten, ohne dabei trivial zu klingen. Musik die Spaß macht, anspruchsvoll, aber nicht anstrengend ist. Common Believer ist schon jetzt ein Klassiker und wird von großen Teilen sogar mitgesungen. Neben den schon bekannten Goldstücken finden sich aber vermehrt neue Songs im Set wieder, die mit dem neuen Album Mirador erscheinen werden. Diese reihen sich perfekt in die noch sehr kurze Liste an Songs ein. Der Green Room ist begeistert und kauft anschließend fast das gesamte Merchandise auf. Ein weiterer Erfolg für die jungen Niederländer.
Wenig später geht’s auch schon mit den Landsleuten von The Machine weiter. Mindestens genau so jung, mindestens genau so gut. Deutlich unterscheidbar dagegen in den Songs. So ufern diese des öfteren in über 10 minütigen Jams aus. Macht aber nix, denn so kommt das super Zusammenspiel des Trios erst so richtig zur Geltung. Vielleicht aber am beeindruckensten ist das Gitarrenspiel. Plakativ hier einen Vergleich zu Hendrix zu ziehen? Ja vermutlich, aber bei der Innovationsfreude und dem Fingerspiel kann man schon in die oberste Psychedelic-Kiste greifen! Nach einigen Songs vom Album Drie und einem neuen Song entscheidet sich das Publikum für einen 30-minütigen Jam zum Abschluss. Nach fast zwei Stunden gehen einem die Riffs nur schwer aus dem Kopf. Genau wie das Outfit des Bassisten, welches quasi schon zum Running Gag geworden ist. Ringelsocken, Jogginghose und zu großes Shirt (wir erinnern uns an die Badehosenversion vom Stoned 2010). Sieht blöd aus? Ja, aber er kann spielen!
Gut aussehen dagegen tut Black Mountain Sängerin Amber Webber derweilen auf der Main Stage. Unschuldig und zurückhaltend stellt sie sich der großen Menge. Der schöne Gesang paart sich mit Old-School Sabbath und Pink Floyd Momenten. Die heute besonders positiv auffällige Lichtshow, tut ihr übriges und macht den Auftritt zu einem durchaus gelungenen. Irgendwie will der Funke aber nie so wirklich überspringen. Den meisten ist das vielleicht dann doch zu soft? Gitarrist Stephen McBean schafft es durch seine schon eher ausgeflippte Spielweise dennoch Stimmung zu machen. Dieser bekommt dann sogar noch ein (etwas armseliges) Happy Birthday zum Jahrestag. Spaß macht das Ganze zu großen Teilen eigentlich, aber am Ende fehlt doch etwas der Pfeffer.
Das beste kommt zum Schluss? Könnte man so sagen. Samsara Blues Experiment konnten mich schon zuvor drei mal überzeugen. Der heutige Auftritt sollte keine Ausnahme sein. Den Songs vom 2010 erschienen Long Distance Trip haben sich mittlerweile schließlich auch noch weitere Perlen angeschlossen. Die Berliner spielen druckvollen Psychedelic Rock. Die Steigerung an Leidenschaft und Können sind im Vergleich zu zuvorigen Gigs deutlich zu spüren. Klimaxe gipfeln in sich windenden Gitarristen. Richard (Bass) kann vor lauter Haaren nichts sehen und geht so tief in die Knie geht, dass es schon fast akrobatisch aussieht. Es herrschen ryhtmische Bewegungen – nonstop. Auf den Gesichtern ist beim Spielen Ernst und Konzentration zu erkennen. Das Publikum saugt jede Sekunde dankbar auf. Ein mehr als würdiger Abschluss des Festivals. Und einer meiner persönlichen Favouriten.
Sungrazer, The Machine und Samsara… . Alle hätten sie meiner Meinung nach auf der Main Stage spielen können. Spielfreude, konstante Qualität und der Wille sich selbst weiter zu entwickeln zeichnen diese Bands aus. Newcomer kann man kaum mehr sagen. Also nicht mehr ganz so “New” aber im kommen sind sie definitiv immer noch. Was wir von ihnen erwarten dürfen werden wir sehen. Jedenfalls gibts von allen dreien schon bald ein neues Album. Ich freu mich. Dieses Packet hat den Sonntag definitiv zu einem weiteren Highlight des Roadburn 2011 gemacht.
Überhaupt – muss ich sagen – sind eine Menge dieser Highlights zu verzeichnen. Trotz Magen und Geldproblemen war die Zeit in Tilburg sehr schön und aufregend. Der wirklich durchweg sehr, sehr gute Sound und die motivierten Bands retten das Festival. Das Roadburn ist damit aber sicher nichts für Jedermann! Wer sich auf den weiten Weg nach Holland macht, sollte sich bewusst sein, worauf er sich einlässt. Ob das Underground-Herz so viel Planung und Koordination verträgt und dabei irgendwie Sinn und Seele der ursprünglichen Idee verloren geht bleibt wohl Ansichtssache.
An dieser Stelle möchte ich mich noch schnell bei meinem Kommilitonen Martin T. bedanken, der mir kurzfristig seine Kamera ausgeliehen hat und es mir so ermöglicht hat, euch ein paar vernünftige Fotos zu liefern.
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